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Der Bogenbaukurs im April 2008

Bilder Miek Michielsen


   
   
   
   
   
   

Der Bogenbaukurs

Thomas Höppe


Am 10.03.2006 zogen wir los, um eine längst vergessene Handwerkskunst zu erlernen: Der Bau traditioneller Holzbögen. Wir hatten dazu einen Kurs in der „Bogenschmiede“ von Markus Kellerer bei Ingolstadt gebucht. Wir entschieden uns für dieses Angebot, weil wir einen Lehrmeister suchten, der uns das Handwerk wirklich ab dem rohen Holz vermitteln konnte. Soviel gleich vorab: Die Wahl war goldrichtig! Es gibt viele Bogenkurse, die auf vorgefertigten Rohlingen basieren. Meist verwenden sie dann „Hickory“, das einzige Bogenholz, bei dem die Maserung nicht beachtet werden muss. Man erhält dort bestimmt auch einen brauchbaren Bogen als Ergebnis…das Wissen, welches für alle anderen Hölzer erforderlich ist, bleibt jedoch auf der Strecke. Wir wollten jedoch nicht nur einen Bogen unter Anleitung fertigen, sondern später auch mit Hölzern aus unseren Wäldern eigene Versuche starten. Also, ran an die Wurzeln der Sache!

Markus verwendet bei seinen Kursen gerne Robinie (Scheinakazie); ein Holz, auf welches wir auch Zugriff haben. Also rückten wir am Freitagvormittag in seiner gemütlichen Werkstatt ein. Dank dem unkomplizierten Wesen von Markus stimmte sofort die Chemie. Mit lausbübischem Grinsen erzählte er uns gleich von den Strapazen, die vor uns liegen würden.

Als ersten Schritt sollte sich jeder entsprechend seiner Körpergröße einen Rohling aussuchen.

Wir entschieden uns als ersten Bogen für einen „American Flatbow“. Der traditionelle Bogenbau hat seine Anhänger hauptsächlich in England und Amerika.

Die Ausdrücke und Maße sind daher gewöhnungsbedürftig: Inch, lbs, stringfollow, tillern….man könnte meinen im alten Europa gab es keine Bogenbauer! Zähneknirschend akzeptierten wir die Ausdrücke von der Insel oder den Staaten für Dinge, die unsere Vorfahren vor tausenden von Jahren auch schon kannten…

Danach wird am Anschnitt des Rohlings ein kräftiger Jahresring ausgesucht und freigelegt.

Dieser Jahresring soll später der Bogenrücken werden. Mittels eines Ziehmessers werden die darüber liegenden Jahresringe vorsichtig abgetragen, bis die hellere, aber sehr dünne Frühholzschicht über unserem „Wunsch-Jahresring“ erscheint.

Diese Schicht ist weich und unbrauchbar. Sie wird vorsichtig mit einer Glasscherbe abgeschabt, ohne die erwünschte Spätholzschicht zu verletzen.

Dieser Jahresring muss später beim Ausziehen die meiste Zugkraft ertragen. Verletzungen am freigelegten Bogenrücken leiten unweigerlich den Bruch ein. Bei Ästen oder Krümmungen wird dieser Schicht gefolgt….das Holz bestimmt die spätere Form, nicht der Bogenbauer! Das musste erst in unsere Köpfe!

Das Zugmesser hinterließ nach ein paar Stunden erste Spuren an den Händen und der Muskulatur. Nur nichts anmerken lassen, der Markus belohnt es eh nur mit einem Grinsen!

Nach dieser Arbeit wurde noch der Bogen aufgerissen, dann war es auch schon Abend. Erst wird die Mittellinie festgelegt und die Maße für Griff und Wurfarme übertragen. Sollte das Holz einen geschwungenen Verlauf der Maserung aufweisen, so macht der Bogen diese Eskapaden der Natur mit. So entstand bei Manuel ein „Snakebow“ mit zahlreichen Krümmungen, und Carmens Bogen integrierte ein mächtiges Astloch im unteren Griffbereich. Das tut der Sache jedoch keinen Abbruch. „Charakterbogen“, sagte der fachkundige Bogenbauer dazu. Ich schreibe es der charakterbildenden Erfahrung durch die damit verbundene Mehrarbeit zu. Mein Rohling glänzte am Anfang durch einen mächtigen Längsriss und eine faulige Schicht. Aus diesem hässlichen Entlein erwuchs schließlich der einzig gerade Bogen. So täuscht man sich! Das Leben ist hart, vor allem für Manuel!

Am Samstag früh kamen wir trotz Hochwasser pünktlich um 08.00 Uhr wieder an der Werkstatt an. Sofort hat der Chef die Konturen grob mit der Bandsäge ausgeschnitten, und wir durften den Rest mit der Raspel abarbeiten.

Nach dieser schweißtreibenden Arbeit wird die seitliche Kontur aufgetragen. Im Bereich der Wurfarme wurde der Bogenbauch im Anschluss mit der Bandsäge mit einem Dachprofil versehen, und es ging wieder an das Feilen, stets mit Blick auf die Maserung. Nun sah das Ganze schon halbwegs nach Bogen aus, nur der Griff war noch roh. Die Aufnahmen für die Sehne wurden eingefeilt und die Sehnen selbst nach „flämischen Spleiß“ angefertigt. Und schon war es wieder nach 19.00 Uhr.

Am Sonntag um 08.00 Uhr waren wir wieder da. Nun ging es an das „Tillern“ (ich hasse diesen Ausdruck!). Der Bogen mit noch zu langer Sehne wird an ein Brett mit Skalierung gehängt und mittels Seil und Umlenkrolle vorsichtig ausgezogen.

Mit einer Glasscherbe wird nun gezielt Material abgetragen, bis ein gleichmäßiges, symmetrisches Biegeverhalten erreicht wird. Weiterhin wird unter ständiger Kontrolle das Material so weit reduziert, bis sich das gewünschte Zuggewicht einstellt. Mein Bogen erhielt z.B. 45 lbs (engl. Pfund) Zugkraft. Klingt einfach oder? Dauert aber ein paar Stunden! Der letzte Schliff erfolgt nachdem der Bogen durch Eindrehen der Sehne auf Standhöhe gebracht wurde.

Es erfolgt der Feinschliff und das Ausarbeiten des Griffstückes. Wir haben noch je drei Pfeile angefertigt, und schon war es auch am Sonntag wieder Nacht geworden.

Nicht ohne Wehmut verließen wir die Werkstatt. Die angenehme Atmosphäre im Hause Kellerer und die positive Ausstrahlung unseres Lehrmeisters verharmlosten auch die Momente der Verzweiflung. Sich 30 Stunden lang mit einem Stück Holz zu beschäftigen, das war für jeden von uns eine ganz neue Erfahrung.

Wir danken Markus für seine Geduld und ehrliche Bereitschaft, Wissen zu vermitteln. Man hatte nie das Gefühl, er will nur „den Kurs durchziehen“, sondern es war ihm ein echtes Anliegen, dass wir mehr als nur einen fertigen Bogen und jede Menge dummer Sprüche mit nach Hause nehmen. Prädikat: Absolut empfehlenswert!

Ich hoffe wir sehen uns mal wieder auf „a Seidl“….oder „a Hoiwe“?


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