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Kabarett
Geisenfeld-Online

Bei Polt: Tränen lachen über Dinge, die zum Heulen sind

GZ Maggie Zurek , 5. August 2008
Fotos : Maggie Zurek
Weitere Berichte und Bilder unter www.hallertau.info
Bis auf den letzten der 1200 Sitzplätze ausverkauft war am Samstag das Laurenzimarkt-Festzelt – denn „den Polt“ wollte sich kaum jemand entgehen lassen. Und der zeigte sich in Bestform: bissig, böse und einfach „sakrisch guat“.
Es ist schon ein Phänomen mit diesem Gerhard Polt. Er braucht nur mit einem lapidaren „so jetza“ die Bühne zu betreten, schon jubeln ihm die Massen zu.

In der Gewissheit, dass das, was da noch kommen wird, einfach gut sein muss. Eine Erwartungshaltung, die keineswegs enttäuscht wird. Da vorne steht einer, der viel kopiert, aber nie wirklich erreicht wurde. Einer der das Spiel von „Schein und Sein“ perfekt beherrscht, einer hinter dessen Humor sich eine bitterböse Sicht auf den Kern verbirgt.
Es ist phänomenal, wie er es schafft, dass man Tränen lacht über Dinge, die eigentlich zum Heulen sind. Polt hält seinem Publikum einen ungetrübten Spiegel vor, in den zu blicken bisweilen schmerzhaft ist. Manch einer würde den Anblick wohl gar nicht ertragen, wenn er wüsste, dass er sich selber sieht. So locker Polt die Bühne betritt, so scheinbar lässig er vermeintliche Zwischenrufe aus dem Publikum aufgreift, so perfektionistisch ist er im Detail.

Bis in die feinste Nuance stimmig sind seine Charaktere, von der unnachahmlichen Mimik bis zum Duktus. Etwa wenn er – als einfach gestrickter Ortssprecher – nach den richtigen Worten sucht und sie mangels Auswahl durch Gesten ersetzen muss. Wenn er als blasierter Emporkömmling zwar gebildet spricht, hinter der Fassade aber immer deutlicher ungehobelte Gedanken hervor blitzen.
Herrlich, wie er in die Niederungen der Lokalpolitik abtaucht, wo „Obacht!“ dank der Gelder aus Brüssel für „mehr Leben in der Gemeinde gesorgt wird – mit einem Abort im Leichenschauhaus.

Wo man für die Kultur was übrig hat und den Kauf von Gabeln für den Kindergarten zurückstellt zugunsten eines Zuschusses für die örtlichen Fingerhakler.
Wo der europäische Geist sich darin zeigt, dass man den Tschechen, „die ja sunst nix ham“, eine Sondermülldeponie genehmigt. Wo zumindest der Max mit seiner versoffenen Leber dem internationalen Terror noch was Positives abgewinnen kann: Wenn’s in Afghanistan täglich kracht und Muslime sterben, steigen die Chancen auf ein vom Alkohol verschontes Ersatzorgan.

Von der bayrisch-byzantinischen Tradition (der Bestechung, Anm. des Verfassers) über das Fernsehbildungsbürgertum bis zu Globalisierung lässt er kein Thema aus.
Und wenn er mal ein Idyll beschreibt, dann nur, um es aufs Hinterfotzigste zu zerstören (samma uns doch einig, zum weiß-blauen Himmel passt ein Neger „einfach nicht dazu, so rein farblich“). Er scheut auch vor blankem Zynismus („Der Tod eines Nichtschwimmers ist doch nicht tragisch, der ist konsequent“) nicht zurück.
Und zu Höchstform läuft er auf, wenn er als Vorsitzender des Fischereivereins im Kampf gegen die vom Kormoran angerichteten „Massaker“ langsam zu Hitler mutiert und am Ende dem Federvieh bei Nichteinhaltung der Abmachung droht „Ab 5 Uhr 45 wirrrd zorrrrück geschossen“. Polt hat scharf geschossen, immer getroffen und dabei wie durch ein Wunder doch nie wirklich verletzt. Dieses Phänomen darf wohl als typisch bayrische Jagdvariante gelten.


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