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Geisenfeld-Online


Nirgendwo ein Nuckel-Diddi

Von Magdalene Zurek


Der Schlüssel dreht sich knackend im Schloss, die schöne alte Holztür schwingt auf und gibt dem Besucher den Blick auf einen geräumigen Flur frei. Auf dem saust ein Knirps in Filzpantoffeln auf einem roten Holzauto herbei. "Wäääm! Wäääm!" lässt er den imaginären Motor aufheulen. Ein kurzes "Hallo" für den fremden Gast und schon gibt sich Möchtegern-Schumi Sebastian wieder dem Geschwindigkeitsrausch auf poliertem Parkett hin. Magdalena kümmert sich derweil lieber in der Kuschelecke des Spielzimmers um die Puppe, "weil die weint" – Alltag in der Geisenfelder Kinderkrippe Tabeki, die seit November 2008 in ehemaligen Forsthaus untergebracht ist.

Neugierig wird die Frau von der Zeitung beäugt, der dreijährige Haris wagt sich als erster zu ihr hin. Während die beiden noch über ihre Lieblingskuscheltiere fachsimpeln, hat sich der Schlüssel wiederholt im Schloss gedreht. Langsam trudeln die restlichen der 14 Kinder ein, die an diesem Tag bis 13.15 Uhr in der Sternengruppe betreut werden. Insgesamt sind 34 Buben und Mädchen im Alter zwischen sechs Monaten und drei Jahren angemeldet, etwa die Hälfte von ihnen in der Ganztagesgruppe "Regenbogen" (bis 16.45 Uhr) im oberen Stockwerk.

Bringzeit ist ab sieben Uhr, aber erst ab 8.30 Uhr herrscht langsam Enge in der Garderobe und der Lärmpegel steigt. Im "Esszimmer" duftet es jetzt schon nach frischen Äpfeln und Bananen, die in Scheiben geschnitten neben anderen gesunden Sachen auf die hungrige Meute warten. Gefrühstückt wird gemeinsam. Ein wenig fühlt man sich beim Anblick der knallbunten Stühle und Tische im Miniformat an Schneewittchen erinnert.

Im rosa Strampler beobachtet Laurina, gerade mal neun Monate alt, fröhlich quietschend das Geschehen von der sicheren Warte des Laufgitters aus.

Aus dem Gang tönt ein "Tschüüüs!" herein. Eine Mama möchte sich verabschieden – der Blick ihres Sprösslings hat sich jedoch längst dem interessanten Geschehen in den beiden Spielzimmern zugewendet, er winkt eher geistesabwesend. Von Abschiedsschmerz keine Spur.

Nach dem gemeinsamen Frühstück ist es kurzzeitig ein wenig hektisch. Da wuseln mindestens zwanzig Beinchen durcheinander, auf der Suche nach dem liebsten Spielgefährten. Ella hat noch Mühe, sich gerade zu halten, wackelt aber mit ihren 16 Monaten sichtlich stolz durch die Menge.

Und wenn ihr einer der größeren Jungs mal zu nahe kommt, dann erntet er einen bösen Blick. Und versteht auch ohne Text: "Zieh Leine, ich brauch Platz".

Überhaupt fällt auf, dass sich auch jene, die noch nicht sprechen, sehr gut verständlich machen können. Und die Älteren, wie Finn oder Valentin haben gelernt, Rücksicht zu nehmen. Einen "Diddi" oder das beliebte Dauernuckel-Fläschchen sieht man nirgends. Niemand scheint diese Trostmittelchen zu vermissen.

Fingerspiele im Sitzkreis

Dass dem so ist, daran haben sicher die "Chefin", Diplompädagogin Osana Dittrich, und ihr engagiertes Team aus drei Erzieherinnen, fünf Kinderpflegerinnen und einer weiteren Sozialpädagogin einen wesentlichen Anteil. Sie bringen Struktur in den quirligen Haufen, mit gezielten Fingerspielen im Sitzkreis, mit musikalischer Früherziehung, Kissenschlachten und spielerischen Übungen oder in dem sie die Temperamentvollsten mal zum Toben mit raus in den Schnee nehmen.

Es wird viel gekuschelt, geschmust und die Kleinsten werden schon mal auf der Hüfte herumgetragen. Und immer wieder muss eine der vielen laufenden Nasen geputzt werden.

A propos Nase: Manchmal deuten unangenehme Gerüche es schon an, bevor der Betreffende stolz angewackelt kommt und eine volle Windel mit dem Schlagwort "Schtinkaa!!" ankündigt. Gegen zehn Uhr herrscht Hochbetrieb im Bad mit den kniehohen Waschbecken und den zahlreichen Varianten fürs "Geschäft" – Wickeltisch, Töpfchen und Toilette mit Kindersitz. Der Duft feuchter Tücher und ein Hauch Wundcreme machen sich breit.

 

Als um kurz nach elf der Aufruf "Aufräumen" erschallt, fragt man sich, wo die Zeit so schnell hingegangen ist. Bevor es zum Essen geht, wird nochmal zusammen gesungen, getanzt und gebetet. Denn neben fundierter pädagogischer Arbeit ist ein christliches Leitbild bestimmend für den Geist in diesem Haus unter privater Trägerschaft – das wohl auch deshalb kaum ein Vierteljahr nach seiner Eröffnung schon voll ausgelastet ist: bis September 2010.

Beim Mittagessen hat Manuel schon Mühe, die Augen offen und den Löffel in der Hand zu halten. Bei Anja und anderen zeigen die roten Bäckchen: Müdigkeit macht sich breit. Doch erst müssen noch die Zähne geputzt werden, bevor Mama und Papa an der Tür stehen. In der Sternengruppe dreht sich das Schloss für diesen Tag dann das letzte Mal. Bei den Regenbogenkindern im oberen Stock, deren Tag ähnlich verlaufen ist, kehrt ebenfalls schlagartig Ruhe ein. Innerhalb weniger Minuten sind sie im gemütlichen Matrazenlager bei Schummerlicht eingeschlafen.


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