Deutschland
Postleitzahl: 85 290
Vorwahl: 0 84 52

Künstler
Geisenfeld-Online


Carlo und die hohe Kunst des Grusels

Magdalena Zurek, 10. Dezember 2005 in der Geisenfelder Zeitung


Carlo Proserpio
Bucherstr. 23
85290 Geisenfeld
Tel.: 0171-3047246
08452/733355
 

Ein kleiner beschaulicher Ort in der Hallertau ist Engelbrechtsmünster und doch lauert dort hinter den Türen einer einstigen Hopfenhalle das kalte Grauen. Zähnefletschende Dämonen und blutüberströmte Untote empfangen hier den neugierigen Besucher. Mitten unter ihnen "der Carlo", der in seinem Blaumann und dem freundlichen Lächeln so gar nicht in diese höllische Umgebung passen will. Dabei ist er der "Meister des Schreckens" und Schöpfer all jener Gestalten, die auf dem Oktoberfest und anderswo die Besucher von Geisterbahnen das Fürchten lehren.

"Nichts ist tödlicher als Langeweile" – seinem Lebensmotto nach zu urteilen, müsste Giancarlo Proserpio der hundertste Geburtstag sicher sein. Denn als Allround-Talent ist er von der ersten Entwurfszeichnung bis zur fertigen Figur für die Gestaltung "seiner" Gespenster verantwortlich. Künstler, Handwerker und Software-Entwickler in einer Person –von existenzbedrohender Eintönigkeit also keine Spur. Zumal der 51-Jährige tief im Inneren ebenso unsesshaft ist, wie seine Auftraggeber, die Schausteller. Fast alle kleineren Geisterbahnen Bayerns sind von ihm, 16 Fahrgeschäfte auf der Wiesn tragen seine Handschrift. Schon als Jugendlichen trieb ihn die Abenteuerlust in den warmen Süden und ein ungeheures Potenzial an kreativen Ideen suchte nach einem Ventil. Mittlerweile pendelt er zwischen dem betulichen Geisenfeld – wo er eine kleine Wohnung hat – und München hin und her. Obwohl er in der Hallertau ideale Arbeitsbedingungen vorfindet (" eine Halle mit der nötigen Höhe zum Bau riesiger Gestalten ist sonst wo schwer zu finden"), braucht er doch immer wieder die anregende Großstadtluft zum Durchatmen.
Nachdem er sich als Maler mit Ausstellungen in der Leopoldstraße und in Haidhausen bereits einen Namen gemacht hatte, geriet Carlo durch Zufall an seinen Traumberuf. Einer der Marktmeister vom Weihnachtsmarkt, auf dem er ausstellte, war Schausteller und hatte sich gerade ein Karussell gekauft, dessen Rückwand noch bemalt werden musste. Durch Großaufträge für Lokalwände und Schwimmbadgestaltungen geübt, nahm Carlo den Auftrag an und erntete schiere Begeisterung. Als Bildhauer fiel es ihm nicht schwer, auch die Nachfrage nach dreidimensionalen Figuren zu erfüllen. Schnell sprach sich herum, dass hier einer unerschöpfliche Fantasie, technische Perfektion und Seriosität (seine Berechnungen zur Stabilität werden auch vom TÜV anerkannt) in sich vereint. Das Auftragsbuch füllte sich und einzig das Jahr nach den Anschlägen des 11. September bescherte dem Multitalent eine "Flaute".

"Das schöne an meiner Arbeit ist die Vielfalt", betont der Wahl-Geisenfelder immer wieder. Zu sehen, wie aus der Idee über die Styroporpuppe am Ende dank ausgefeilter Mechanik, elektronischer Steuerung (auch die Programmierung von Ton und Bewegung entwickelt er selber) und haltbarem Polyester-Schutzmantel ein ausdrucksstarkes Schreckenswesen wird, ist ihm Befriedigung. In den Wintermonaten widmet er sich gerne der Restaurierung alter Holzmöbel, weil ihn der warme Werkstoff fasziniert. Seine Lebensgefährtin Viola Matthes, selber Künstlerin (eine Kostprobe ihrer Werke ist derzeit in der Maximilianstraße im Fenster der ehemaligen Buchhandlung zu bewundern), unterstützt ihn dabei gerne. Auch wenn zur Abwechslung das Geschäft mit dem Schrecken einmal durch "l ebendige Geister" – etwa anlässlich Halloween – belebt werden soll, ist sie dabei.

Carlo lebt seinen Traum, aber kann er vom Traum auch leben? Materiell bietet ihm sein Metier keine wirkliche Sicherheit. "Die Zahlungsmoral ist schlecht", erklärt er. Oft werden die fälligen Rechnungen von seinen Auftraggebern nur nach gerichtlichem Zwischenspiel gezahlt. Deshalb ist trotz voller Auftragsbücher gelegentlich die Kasse knapp .

Die künstlerische Freiheit und das Risiko gegen ein alltägliches, sicheres Einkommen tauschen würde Carlo aber dennoch niemals. Das wäre ja langweilig – und damit für ihn gewissermaßen tödlich.


Zurück