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"’S guade Gwand bleibt immer"

Magdalena Zurek


Josefine Raith
Wer sein Hobby zum Beruf macht, der muss ein Leben lang nicht arbeiten – so lautet frei übersetzt eine Weisheit des Konfuzius. Und wenn diese für jemanden zutrifft, dann für Josefine Raith – ihres Zeichens eine der letzten "echten" Meisterinnen der Trachtenschneider-Zunft.
Schon als kleines Mädchen hat die heute 49-Jährige davon geträumt, einmal Schneiderin zu werden. Nur mit "Ach und Krach" hat sie 1974 eine Lehrstelle in dem begehrten Handwerk bekommen – in Pfaffenhofen, wohin sie von ihrem damaligen Wohnort Rohrbach aus zum Glück recht gut mit dem Zug kam. Nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung war die passionierte Näherin dann fast zehn Jahre lang als Zuschneiderin bei der Firma Bäumler beschäftigt.

Ein Job, der sie so ganz und gar nicht zufrieden machte. Nur abends konnte sie der Sehnsucht nach kreativer Arbeit, nach dem Umsetzen eigener Ideen, nachgehen. Doch schon damals eilte ihr schnell der Ruf einer hervorragenden "Fachfrau" voraus und sie nähte, was die Nadel hielt, für Familie, Freunde und Bekannte.
Nach der Hochzeit mit Helmut Raith zog sie 1981 nach Parleiten, zog einen Sohn und eine Tochter groß und konnte bald – dank der Unterstützung durch die Schwiegereltern – ihre geliebte Arbeit wieder aufnehmen. 1987 bestand sie die Meisterprüfung für das Damenschneiderhandwerk. Das allein genügte der Frau mit dem Faible für heimische Trachten jedoch nicht.

Stetige Fortbildung

Schon immer hatten die traditionellen Gewänder sie fasziniert und so bildete sie sich stetig in der historischen Thematik weiter und tut dies auch heute noch. Neben der normalen Tätigkeit in der eigenen Nähwerkstatt schuftete sie für die Meisterprüfung als Trachtenschneiderin. Wozu auch ein ausführlicher wissenschaftlicher "Forschungsbericht über die Geisenfelder Tracht" gehörte.

Eine akribische Analyse der Festbekleidung in der Region, für die sie unter anderem Votivtafeln untersuchte, im Germanischen Nationalmuseum nach Unterlagen forschte und mit unzähligen Bauernfamilien aus der Region Gespräche führte.

Uralte Fotos, Gemälde und Unterlagen, die die Erörterung bebildern, spiegeln den Wandel der Mode über Hunderte von Jahren wider.

Dass ihre eigenen Modelle regelrechte Kunstwerke sind, hat sich mittlerweile bis ins Sauerland herum gesprochen. Von dort erhält sie fast jedes Jahr den Auftrag für eine neue Tracht, die als Weihnachtsgeschenk unterm Bäumchen liegen soll. Und geschneidert wird "per Ferndiagnose", die Maße gehen per Fax ein (vermessen vom Ehemann der Beschenkten). Ein Gevatterrock aus Parleiten hat es bis nach Frankreich geschafft und vom Bratenrock über Schalk und Miederjacke bis zum weißen Hochzeitsdirndl sind ihre Werke im Original oder als Foto auf allen gängigen Trachtenausstellungen zu sehen.

Josefine Raith legt bei ihren Stücken viel Wert auf den historischen Charakter. Die Stoffe für das Hopfendirndl werden eigens in Deutschland nachgewebt, wertvolle Seide kommt aus Österreich. Immer seltener werden natürlich die "echten alten Gewebe", allen voran der farbenintensive Samt.

 

Und das gute alte Fischbein für die steifen Mieder ist längst dem Peddigrohr gewichen.

Immer ein Original

Ganz gleich, welches Material die "Chefin" am Ende auswählt, was in Parleiten den Kunden "auf den Leib geschneidert wird", das ist immer ein Original – genauso wie der zukünftige Träger. Wie etwa die Dame, die sich für einen männlichen Bratenrock als Wintermantel entschied, der nun ihr "schönstes Stück im Schrank" ist.

80 Stunden Arbeit (oder, um bei Konfuzius zu bleiben, "Vergnügen") investiert Josefine Raith als Minimum in eines ihrer Werke. An Aufträgen mangelt es ihr nicht, denn in Sachen Tracht gilt nach wie vor der alte Spruch "’S guade Gwand bleibt immer". Wer einmal eines der Prachtstücke aus Parleiten gesehen hat, der weiß, warum das so ist.


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