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Drang, "nicht stehen zu bleiben"

Maggie Zurek

Noch heute ist die vom Hopfen geprägte Landschaft der Hallertau für ihn "von skurriler Faszination". Gerade jetzt, im Herbst. Eine Faszination, die Thomas von Steinaecker - inzwischen preisgekrönter Nachwuchsautor - anlässlich einer Lesung in Pfaffenhofen wieder erfasst. Seinen Aufenthalt nutzte der 32-Jährige, der heute in Augsburg lebt, auch um die Eltern in seiner einstigen Heimat Geisenfeld zu besuchen, wo der Vater den meisten als Notar bekannt ist.
Sympathisch und offen gibt von Steinaecker - der beruflich unter anderem Rezensionen zu klassischen Musikstücken und Graphic Novels (Romanen in Cartoonformat) verfasst - bei einem Treffen im "Evas" Maggie Zurek Auskunft auf Fragen nach seinem Werdegang.

Ohne Starallüren. Bescheiden. Fragen nach seinem Privatleben weicht der bei aller äußeren Jugendlichkeit extrem reif wirkende Schriftsteller jedoch aus. Freundlich aber bestimmt.
Die öffentliche Person, der Autor, gibt sich preis - die private, der Ehemann und Familienvater, nicht. Dennoch wirkt er keineswegs introvertiert. Studentisch lässig in Jeans und kariertem V-Pullover, die braunen Haare modisch kurz geschnitten, erzählt der als vielversprechendes Talent gehandelte Dichter bei einer dampfenden Tasse Pfefferminztee von dem seit frühester Jugend "dringlichen Bedürfnis" zu schreiben.
Erste Erzählungen
Schon während der Gymnasialzeit in Mainburg hatte er seine ersten Erzählungen verfasst. Schmunzelnd erinnert er sich an die Beharrlichkeit, mit der er schon beizeiten nach einem Verlag gesucht hat - am Ende mit Erfolg. Unter der eher zierlichen, schlanken Hülle steckt deutlich spürbar eine unbeirrbare Zielstrebigkeit.
Sein Studium der Literaturwissenschaft beginnt von Steinaecker in München. Ein Stipendium des Literarischen Colloquiums Berlin öffnet ihm 2003 die Pforten der Universität von Cincinnati und beschert ihm die außergewöhnliche Erfahrung, Germanistik auf amerikanischem Boden studieren zu dürfen.
"Inspirierend" sei der dort vorherrschende spielerische, teils naive Umgang mit Sprache gewesen. Sorgsam mit sanfter Stimme seine Worte wählend und mit Gesten unterstreichend, beschreibt er, wie er als Student im Ausland beginnt, "den Begriff Heimat neu zu definieren" und dem Wesen des Deutschseins nachzuspüren - was sich auch in seinen Romanen niederschlägt.
Ein Gespür für das "Fremdsein in der eigenen Existenz", für das Leben in einer Art doppelter Identität, habe er ohnehin schon früh durch Freunde mit "Migrationshintergrund" entwickelt, erinnert sich der promovierte Literaturwissenschaftler, dessen grüne Augen ihr Gegenüber aufmerksam beobachten.
Mut zum Experimentellen
Besonders prägend für seine literarische Tätigkeit ist jedoch die Freundschaft zu einem Musiker: Karlheinz Stockhausen, dessen "Mut zum Experimentellen und Innovationsgeist" nachhaltig das Werk von Steinaeckers beeinflussen. Und so probiert der junge Autor unerschrocken Neues aus. Beschäftigt sich in seiner Dissertation mit der Frage nach der Bedeutung von Fotos im Text.
Kombiniert Cartoon und Roman. Spielt immer wieder "mit dem fließenden Übergang von Fiktion und Wirklichkeit". Als Leser spürt man: Es geht ihm dabei um die sensible Auseinandersetzung mit seinen Gestalten, nicht um poetische Spielereien. In seinem jüngsten Roman "Schutzgebiet" entwickelt der von deutschen Kolonialherren in Afrika ersonnene Plan zur Aufforstung der Wüste regelrecht surreale Dimensionen. Und eine erschreckende Parallelität zur aktuellen Bankenkrise, bei der die fiktionale Blase menschlicher Gier und Größenwahn zerplatzt.
Derzeit ist der Autor mit den Recherchen zu einem Krimi in der Versicherungsbranche beschäftigt. Und ein Film über Tolstoj zu dessen 100. Todestag ist ebenfalls in Arbeit.
Künstlerisch lässt sich von Steinaecker bei seinen Plänen nicht festlegen, nicht auf eine Gattung, nicht auf einen Stil. Sein weiterer Weg ist nicht vorgezeichnet. Schon gar nicht vom Streben nach Erfolg. Spürbar wird nur eins: Der intensive Wunsch, "nicht stehen zu bleiben".
  


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