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Kabarett
Geisenfeld-Online

Stephan Bauer: Zeiterscheinungen gnadenlos seziert

GZ : Ellen Kellerer, 25. November2003
Bilder : Hans Galler

 


Da haben wir ihn, den larmoyanten Mittdreißiger dieser Tage: Die erste Ehe ist gescheitert, weil die Frau den Investmentbanker im Bett vorzog. Aus der jugendlichen Protestzeit in den 80-ern mit "Fröschen über die Straße helfen" und Palästinensertüchern wurde bürgerliche Bequemlichkeit mit "Putzfrau aus dem Hochpreissegment" und verzweifelte Fitnessversuche. Und in der Disco suchen einen die 17-jährigen Mädels höchstens noch "für die Mutti" aus. · Stephan Bauer hat es nicht leicht, und wäre er ein guter Bekannter, würde man sich das Gejammer keine zwei Minuten anhören. Bauer ist aber Kabarettist, und sogar ein sehr guter, wie sich das Pindharter Publikum am Sonntag wohl einig war. Denn aus alltäglichem Terror wie weiblichem Wohnungs-Dekorierzwang und männlicher Technikbesessenheit macht er zwei Stunden entlarvendes Kabarett.

Urkomisch sind seine Geständnisse über besorgte Mütter, Internetlügen ("Rammeltiger chattet mit Pimpermaus"), "das erste Mal" oder seine Erfahrungen mit Deutschlehrerinnen in Kontaktanzeigen, "die das nur machen, um die Zuschriften korrigiert wieder zurückschicken zu können". Dass nach seiner Trennung wieder "Hygienestandards aus der Studentenzeit" zurückkommen und sich erste selbständige Kochversuche auf Fertiggerichte beschränken, die auf dem Foto der Verpackung so ganz anders aussehen als auf dem Teller · das ist, "wie wenn man ein Date mit Jennifer Lopez hat, und plötzlich kommt Inge Meysel daher".

Bauer beherrscht die Kunst der gelungenen Assoziationen perfekt, und oft genügt alleine schon ein Blick oder ein Seufzer, um beim Publikum Wiedererkennungseffekte hervorzurufen. Wer hat sich nicht auch schon über schlabbernde Cargohosen von jungen Leuten gewundert, die wohl deshalb "Streetwear" heißen, mutmaßt der Kabarettist, "weil sie auf der Straße schleifen". Trotzdem hat er den Besuch bei "H&M" gewagt, dem "Fachausstatter für Bulimiekranke", wo man den "Dienstgrad der Verkäuferinnen an der Zahl der Piercings erkennt". Kaum eine Zeiterscheinung, die von Stephan Bauer nicht gnadenlos seziert wird. Bleibt zu hoffen, dass er sich in Unterpindhart noch öfter medi-zynisch betätigen wird.

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