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Kabarett
Geisenfeld-Online

Philosophisches über den Irrwitz des Lebens

PK vom 25. Januar 2004 : Maggie Zurek
Bilder : Hans Galler

 

Wenn Andreas Giebel über die "Bedeutung des Publikums" sinniert und sich freut, in Unterpindhart "jede Menge Pullover und Hemden" begrüßen zu können, dann ist das Eis sofort gebrochen. Und sein innigster Wunsch, doch ähnlich wie in der Sauna beim Kabarett "oben ohne" als standesgemäße Kleidung einzuführen, bringt ihm zumindest bei den Herren schon mal hundertprozentige Sympathien ein · die Damen hat er eher mit seinem schelmischen Augenzwinkern im Griff. Ein nettes Aufwärmgeplänkel, das schnell einem philosophischen Ausflug in den Irrwitz des Lebens, "das allen Regeln widerspricht", weicht.

Der Münchner Viktualienmarkt wird zum Epizentrum außergewöhnlicher menschlicher Begegnungen, in deren Verlauf der Künstler unterschiedlichsten Gestalten ein Gesicht verleiht. Da stößt sein "alter ego" auf den intelektuell näselnden Puschkin, den schüchternen Placebo ("i woas net, ob i mir des bloß einbild, aber. . . .") und die multiple Persönlichkeit "Achter". Die vier verbindet ein gemeinsames Ziel: Sie wollen Elmar, dem sinnigerweise durch Schienen aus dem Gleis geratenen Freund, wieder einen Lebenssinn geben. Dabei spiegeln ihre Vorschläge die eigenen unerfüllten Sehnsüchte.
Auf ihrem Weg "der Sonne entgegen" enthüllt Giebel mal mit einfachen Kalauern, mal mit ironischem Feingefühl oder beißender Satire, immer aber pointensicher, die Schwächen und Paradoxien seiner allzu menschlichen Gestalten. Dabei ist sein Vortrag so dicht, dass man sich konzentrieren muss, um nicht etwas Wesentliches zu verpassen · und irgendwie ist der Abend viel zu schnell vorbei. Da mag auch der Hinweis Giebels, dass das wahre Leben "tonnenweise Zugaben" bereit hält, nicht wirklich trösten.

Inhaltlich streift der Kabarettist mit dem feinen Gefühl für sprachliche Absurditäten die zentralen Themen des Daseins. Beziehungsprobleme der Geschlechter werden auf den Punkt gebracht ("Sie will immer darüber reden, warum ich nicht mit ihr reden will"). Der Versuch des Mannes, durch Bekochen der Umworbenen ein paar sprachlose Karenzzeiten zu erhaschen, wird ad absurdum geführt (statt "Balzfüttern" plädiert er für den Geschlechtsakt · nach dem Motto "das Rezept schreibt man auch erst auf, wenns geschmeckt hat").

Auf der Suche nach der idealen Religion wird bei Giebel der Lebensweg zum Fluchtweg, der gewisse Gefahren birgt ("Wenn ich als Wurm wiedergeboren werde, dann schneiden mich womöglich meine eigenen Enkel in Stücke"). Und dann sind da ja auch noch die Bahnpreise, die einen zum Wahnsinn treiben können, jugendlich dynamische Spezialisten die zum Gesundheitsrisiko werden, und Museumswärter, die ihre bildungsfreie Vergangenheit vertuschen wollen.

Und mittendrin dieser Giebel, der als "Schatten seiner selbst" zum Nichts degradiert wird, der als Model auf dem Catwalk ("so stampft doch koa Katz auf") ebenso brilliert wie als Fitnessfanatiker, der an seinem Allroundtrainingsgerät verzweifelt. Oder aus Mitleid mit der Susi, die acht Liter im Normalfall säuft, unversehens zum Suzuki-Besitzer wird.

Wenn als Gastgeschenk für FDP-Anhänger eine Flasche "Ratzeputz" herhalten muss, "damit die auch mal wissen, was Prozente sind", dann kommt die Politik mit leichtfüßigem Humor daher. Bei Giebels rechnerischen "Textaufgaben" zur sozialen Ungerechtigkeit bleibt einem das Lachen hingegen leicht mal im Halse stecken. Humor hat bei diesem Komiker viele Schichten, die sich oft erst im Nachhinein erschließen.

Dass es ihm gelingt, dank Puschkin einen Bogen von Homer zur Moderne zu schlagen · etwa wenn in der Rotlichtbar die vermeintlichen Sirenen zu Circen werden, die ihre Freier in Schweine verwandeln · gehört zu den besoderen Reizen seines neuen Programmes, das durchaus auch einen zweiten Besuch wert ist.


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