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Kabarett
Geisenfeld-Online

Episoden vom Scheitern der Menschlichkeit

PK Maggie Zurek
Bilder : Hans Galler

 


Dass er ein guter Schauspieler ist, hat er mittlerweile in zahlreichen Fernsehproduktionen bewiesen. Wieviel Einfühlungsvermögen und stimmlichen Facettenreichtum er darüber hinaus besitzt, zeigte Udo Wachtveitl bei seiner ungewöhnlichen Lesung in Unterpindhart. Mit verschiedenen Episoden aus dem erzählerischen Werk Robert Hültners ließ er das Bayern der 20-er Jahre vor dem geistigen Auge erstehen und eine Vielzahl typischer Charaktere lebendig werden. Hans Kriss ordnete die Erzählstränge jeweils in einen größeren Zusammenhang ein und die Musiker im Team sorgten für das perfekte "Bühnenbild".

Geschlossene Augen, einen Meister der Bassposaune sowie Akkordeonspieler und Schlagzeuger reichten in Unterpindhart aus, um die kämpferische Atmosphäre auf den Straßen Münchens nach Ausruf der Räterepublik fühlbar werden zu lassen, die hinsichtlich ihres wahren Zieles zögerlichen Kolonnen, die wachsende Bedrohung durch militante "Revolutionäre". Andreas Koll, Sebastiano Tramontana und Erwin Rehling erwiesen sich als Zauberer, denen es im Handumdrehen gelang, Situationen musikalisch einzufangen, ihnen Bildhaftigkeit, Gefühlsstärke und Aussagekraft gleichzeitig zu verleihen.

Bei der "Schilderung" des eintönigen Gefängnisalltags hörte man regelrecht den Blechnapf rasseln und versoffene Insassen schnarchen, wobei zugleich all das von einer schmerzlichen Melancholie überlagert schien. Wenn sie die wüstenhafte Stimmung einer Dürrewelle "vertonten", schien selbst der Gesang der Vögel zu vertrocknen, und im anschließenden Hagelsturm ging einem der Aufschrei zerstörter Gebäude durch Mark und Bein.

Doch auch die komödiantische Natur brach sich bei den dreien immer wieder Bahn, der Schalk im Nacken lugte deutlich hervor, wenn sie swingend "If theres a matter that is tricky . . ." intonierten oder das Kuhglockenidyll lärmender Beschaulichkeit zerrupften.

Von Ungerechtigkeit, menschlichem Wahn und menschlichen Schwächen handeln die Geschichten Hültners, die sich um Inspektor Kajetan ranken. Durch die Interpretation Wachtveitls, der in die Haut respektive in die Stimme der verschiedensten Gestalten schlüpfte, erlangten sie zusätzlich Tiefe und Spannung. Ob er einen einfachen Bauern fluchen oder den scheinheiligen Verwalter Jovialität heucheln lässt, ob aus seinem Munde das neugierige Mädchen, die übereifrige Telefonistin oder der hirnlose Demagoge zu uns spricht, die Person erhält Konturen, wird greifbar.


Im Grunde zutiefst pessimistisch, von der Einsicht geprägt, dass Dummheit siegt und Menschlichkeit zum Scheitern verurteilt sind, werden die Episoden des "Mörderischen Bayern" dadurch erträglich, dass Erzähler wie Musiker immer wieder die Stimmung kippen und ins Albern geraten. Da stimmen sie plötzlich gemeinschaftlich ins Gegröhle imaginärer Variété-Besucher ein oder veranstalten eine Hatz auf scheinbar umherrschwirrende "Wepsen", deren eine letztlich gar von Wachtveitl "verschluckt" wird. Selbst der Lektor geriet da gelegentlich über seine eigene Spontaneität aus dem Konzept · was ihm beim Publikum nur Pluspunkte einbrachte.

Ein wenig nachdenklich, von der gebotenen Leistung beeindruckt und mit dem Gefühl, einen Star, der diesen Namen auch wirklich verdient, zum Greifen nah erlebt zu haben, verließ wohl nicht nur der Kritiker den Saal, nachdem er mit vielen anderen weiblichen Gästen um ein Autogramm angestanden hatte.


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