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Kabarett
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Hintergründige Kritik und bissige Gags

Turbo-Kabarett mit Erwin Pelzig / Barwasser fordert vom Publikum volle Konzentration

Geisenfelder Zeitung, Magdalena Zurek, Mittwoch, 20.07.05
Fotos : Hans Galler


Wehe dem, der sich von Äußerlichkeiten täuschen lässt, wenn Frank Markus Barwasser alias Erwin Pelzig die Bühne betritt. Hinter Cordhütli, Handtäschli und fränkischer Betulichkeit versteckt sich kein kleinkariertes Weichei. Da lauert ein bissiger Philosoph, der im Turbotakt seine Angriffe auf die Absurditäten des Lebens startet. Dabei strapaziert er Lachmuskeln und Hirnwindungen derart, dass es nur mit höchster Konzentration gelingt, die aufblitzende tiefere Dimension mancher Aussage festzuhalten, bevor schon der nächste Gag seinen Tribut fordert.

"Wer den nicht zweimal sieht, hat die Hälfte verpasst" · dieses Urteil eines Besuchers im Rockermeier Stadl bringt das Phänomen auf den Punkt."Vertrauen auf Verdacht" postuliert Pelzig und zeigt zugleich, wie schwer dieser Forderung nachzukommen ist. Paradebeispiel Deutschland, das von Skandalen à la Infineon und VW, "lukrativen Aussetzern" eines Herrn Pfahls bis hin zur fingierten Vertrauensfrage der SPD (deren Wahlsolgan "Vertrauen in Deutschland" beweist "die hat die Wahl schon so gut wie verloren, aber nicht den Humor") erschüttert wird. Die gesellschaftliche Entwicklung "riecht nach Klassenkampf", wenn bei einem gemeinsamen Flug die "Elite mit Läpptöppli vorne und das Volk mit Kotztütli ganz hinten" sitzt.

Da ist das Versprechen der Politiker, die Menschen auf der Reise in eine bessere Zukunft "mitnehmen zu wollen" wenig glaubwürdig (vor allem wenn Stoiber als "bayrische Parkkralle" zu den Reiseleitern gehört).

Hinter all dem Elend steckt, wie sollte es anders sein, der Mensch an sich · beispielhaft verkörpert vom Triumvirat "Dr. Göbel, Pelzig, Haddmud". Barwasser läuft zu schauspielerischer und kabarettistischer Höchstform auf, wenn er sich in Sekundenschnelle vom polternden Proleten zum borniert-bourgeoisen Snob wandelt und dabei Mimik, Gestik und Sprechweise auf die Nuance genau trifft (oscarverdächtig der handgreifliche Kampf zwischen Dr. Göbel und Pelzig um eine Geldbörse).

Leicht und lustig scheint es nach der Pause mit Geschichten von verlogenenen Viechern vom Glühwurm bis zum Gebrauchtwagenhändler weiter zu gehen. Doch in Gestalt eines herrenlosen Koffers auf der Bühne schleicht sich Unbehagen ein, London lässt grüßen. Geschickt flicht Barwasser die Folgen des Terrors ein: dumpfe Angst, Überwachungshysterie und paradoxe Erwägungen ("Wenn wir unsere Freiheit erhalten wollen, müssen wir sie abschaffen"). Viel Stoff zum Nachdenken hinter unzähligen herzhaften Lachern also. "Einfach genial" · ein Attribut das auf Barwasser in seiner ganzen Doppeldeutigkeit zutrifft.


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