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Kabarett
Geisenfeld-Online


Absurd-Poetisches mit Wiener Charme Ludwig Müller gewinnt Kleinkunstpreis

GZ vom 3. Juni 2006, Maggie Zurek
Fotos : Maggie Zurek


Vor „vollem Haus“ – erstmals im Festsaal des ehemaligen Rockermeierstadls – traten am Donnerstag vier Konkurrenten um die Auszeichnung mit einem gewichtigen „Schwellenstück“ an. Dank routinierter Bühnenpräsenz, einer guten Portion „Weana Schmäh“ und skurril-poetischen Einsichten in die Welt eines Kaffeehausliteraten gewann dabei Ludwig Müller bei der Verleihung des Hallertauer Kleinkunstpreises
Publikum und Jury für sich (siehe Bericht im Kulturteil).
Ein verdienter erster Platz für einen in sich völlig stimmigen Künstler, der mit Zungenfertigkeit und schauspielerischem Talent die Welt südlich der Donau ad absurdum führt.
Mit gewohnt bissigen Seitenhieben auf das aktuelle Zeitgeschehen bereicherte Django Asül, der in Pindhart schon zur „Familie“ gehört, das Programm – von „Potsdamer Präventivschlägen“ über ministeriell verordneten Boxenstopp für Flugtiere (Desinfektionsmatten gegen Vogelgrippevirus) bis zum Alkoholismus als fehlendem Bindeglied zwischen Kommunismus und Opportunismus nahm er Gysi und Konsorten aufs Korn . Kabarett vom Feinsten, auch in den spontanen Überleitungen.
Eine originelle Mischung aus Slapstick, Comedy und Musikkabarett hatte das Duo „Zärtlichkeit mit Freunden“ mitgebracht. Im Bestreben, sich als Ossis „mental ihren Solidarzuschlag zurückzuholen“ traten sie an – und die Jury gewährte ihnen die Bitte in Form eines zweiten Platzes .
Die beiden Leipziger bestachen als Musiker mit E-Gitarre und „Leninrock“ am Schlagzeug, desillusionierten mit eigenwilligen Geschichten vorschnelle Erwartungen und ließen im Duktus eines salbadernden Selbstfindungsgurus Spitzen auf die strukturschwache Region Unterpindhart los.
Alfred Mittermeier als einziger waschechter Bayer machte sich die Versagensängste deutscher Fußballfans zu eigen („der Beckstein ist schon froh, wenn wir die Eröffnungsfeier nicht verlieren“), die er mit Wortspielereien und politischen Seitenhieben (etwa auf die „Bomben Stürmer“ des Iran) würzte. Sein aktueller und durchaus amüsanter Vortrag blieb jedoch teilweise im Klischeehaften stecken, was ihm mit
geringem Abstand einen guten dritten Platz bescherte.
Björn Pfeffermann wurde quasi von seiner eigenen Thematik – dem schwierigen Dasein des Franken im bayrischen Exil – eingeholt. Obwohl er mit einigen ausgefallenen Ideen (dem fremdenfeindlichen Jogurt Lactobavarius oder der Werkzeug-Hitparade) Sonderapplaus erntete, reichte es nicht zu „Bronze“.
Für einen insgesamt auf hohem Niveau ausgetragenen Wettstreit dankte Kulturreferentin Anneliese Lackermair den beiden Organisatoren Hannes Hetzenecker und Karl Rockermeier, denen sie schmunzelnd
die „Goldene Palme von Pindhart“ überreichte. Die Preisgelder in Höhe von insgesamt 2500 Euro, gesponsert von der Hallertauer Volksbank, überreicht der Vorstandsvorsitzende des Geldinstitutes, Wilfried Gerling, den Gewinnern mit humorigen Worten.
Als umjubelter Sieger gab Müller noch ein paar Kostproben seines komödiantischen Könnens. Die Besucher, die für das Ambiente des Veranstaltungsraumes viel lobende Worte fanden, dürfen sich auf ein Wiedersehen in der nächsten Saison freuen. Das zumindest stellen die Organisatoren in Aussicht.

Wo der Pentium blüht
Hallertauer Kleinkunstpreis für Ludwig W. Müller

DK. Kultur vom 3. Juni 2006, Anja Witzke
Fotos : Maggie Zurek


Auf seiner Visitenkarte steht „Urheber & Selbstdarsteller“. Denn Ludwig Wolfgang Müller wollte immer das Wort Kabarettist vermeiden, „um ein bisserl ein anderes Publikum zu kriegen, das nicht immer sofort auf Schenkelklopfer wartet“. Er zuckt mit den Schultern. „Aber letztlich komme ich nicht drumherum. Ich mache Kabarett. Ich bin Kabarettist.“ Und: ein Sprachkünstler.
Ludwig Wolfgang Müller, 1966 in Innsbruck geboren, ist der Gewinner des Hallertauer Kleinkunstpreises 2006. Er setzte sich am Donnerstagabend im Landgasthof Rockermeier souverän gegen seine Mitbewerber „Zärtlichkeiten mit Freunden“, Alfred Mittermeier und Björn Pfeffermann durch.

Die Moderation hatte zum zweiten Mal Django Asül übernommen, der diesmal seine Eltern mitbrachte („Ich wollte ihnen einen schönen Abend bereiten.“). Er war vom Wettstreit sehr angetan: „Das Niveau war höher, die Bandbreite wesentlich breiter – und der Sieger überzeugend.“
Ludwig Wolfgang Müller zeigte sich vom Publikums- und Juryvotum „überwältigt“. Denn er hat zwar bereits im Jahr 2000 das Passauer Scharfrichterbeil gewonnen, „aber ansonsten war ich stets der ewig Zweite“. Dichter wollte er schon immer werden. Einer der Gattung Wiener Kaffeehausdichter, die den lieben langen Tag in einschlägigen Etablissements bei einem „Coffee to wait“ verweilen, angelegentlich demütig die Fürsorglichkeit eines „zwischen Aufmerksamkeitsdefizit und Wachkoma“ befindlichen Oberkellners beanspruchen und Kost und Kaffee mit der Unterhaltung anderer finanzieren.

Erste Schritte in diese berufliche Richtung tat Ludwig Wolfgang Müller im Alter von 14, 15 Jahren. „Ich bin auf
dem Land aufgewachsen – in Gmunden in Oberösterreich –, und Taschengeld gab’s nicht viel. Also habe ich mir mein erstes Bier mit Lustigsein verdient, mit kleinen Gedichten. Das Spiel mit der Sprache hat mich fasziniert. Damals kam der Berufswunsch Dichter auf. Und das bin ich irgendwo auch geworden.“
Sein Jurastudium schmiss er hin – „schabidududab schabidubu“ – und zog in der Wendezeit nach Ostberlin. Für Zeitungen und Zeitschriften wollte er arbeiten. Witzseiten, Unterhaltung – etwas in der Art. „Dann wurden mir mal für fünf Seiten Text, für die ich eine Woche lang gearbeitet habe, 20 Mark angeboten – und ich merkte: Davon kann ich nicht leben. Von 20, 50 oder 100 zahlenden Zuschauern pro Bühnenauftritt schon.“

Wie viel hat die Bühnenfigur mit ihrem Schöpfer gemein? Ludwig Wolfgang Müller zögert: „Das Leben ist schon so, wie ich es auf der Bühne erzähle. Absolut unspektakulär. Ich sitzt halt den ganzen Tag im Kaffeehaus in München, wo ich seit einigen Jahren lebe, habe immer ein Heft vor mir und einen Packen Zeitungen und schreibe. Das ist es.“ Dann fallen ihm also so schräge Sachen ein wie die internationalen Tischgebete. Oder eine neue Folge seines Heimatromans „Wenn der Pentium blüht“. „Am liebsten sitze ich in Schwabing bei mir ums Eck beim ,Scheidegger‘ unter den Bäumen oder auch beim ,Seehaus‘. Das ist nämlich ganz merkwürdig: Entweder man ist ganz allein oder ganz drinnen im Gwurrlert – dann ist man auch allein und trotzdem
in Gesellschaft.“

Termine in Bayern gibt es erst wieder ab Oktober, Infos und Schmäh schon jetzt unter www.schmaeh.at.





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