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Ausstellungen in Geisenfeld
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Grußwort von Thomas Stummer, Stadtpfarrer

Kunstausstellung in der Stadtpfarrkirche Geisenfeld
"Flucht nach Ägypten - die unschuldigen Kinder"


Worte zur Ausstellungseröffnung am 5. November 2006, 17 Uhr

Die Flucht nach Ägypten und die unschuldigen Kinder - das Thema der diesjährigen Kunstausstellung in unserer Stadtpfarrkirche bezieht sich unmittelbar auf die Erzählung der Matthäus-Evangeliums :
Als die Sterndeuter wieder gegangen waren, erschien dem Josef im Traum ein Engel des Herrn und sagte : Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter, und flieh nach Ägypten; dort bleibe, bis ich dir etwas anderes auftrage; denn Herodes wird das Kind suchen, um es zu töten. Da stand Josef in der Nacht auf und floh mit dem Kind und dessen Mutter nach Ägypten. Dort blieb er bis zum Tod des Herodes. Denn es sollte sich erfüllen, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.

Als Herodes merkte, dass ihn die Sterndeuter getäuscht hatten, wurde er sehr zornig, und er ließ in Bethlehem und der ganzen Umgebung alle Knaben bis zum Alter von zwei Jahren töten, genau der Zeit entsprechend, die er von den Sterndeutern erfahren hatte. Damals erfüllte sich, was durch den Propheten Jeremia gesagt worden ist : Ein Geschrei war in Rama zu hören, lautes Weinen und Klagen; Rahel weinte um ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, denn sie waren dahin. (Mt 2,13-18)

Man kann diese Zeilen wie einen Bericht lesen und nach seiner historischen Wahrheit fragen, kommt damit aber schwerlich zu einem gesicherten Ergebnis. Außerhalb des Matthäusevangeliums existiert kein Zeugnis über diese Ereignisse.

Sicher steht im Hintergrund die damals weltbekannte Grausamkeit des Herodes, dieses Königs von der Römer Gnaden, der vor allem in seinen letzten Lebensjahren von einem krankhaften Argwohn besessen war : Spionage und Denunziation, Folter und Erpressung waren an der Tagesordnung, und noch kurz vor seinem Tod ließ er drei seiner Söhne umbringen. Die Erzählung des Matthäus fügt sich in diesem Rahmen ein, doch ihr primäres Anliegen ist, wie der bekannte Bibelwissenschaftler Joachim Gnilka zusammenfasst :"weniger ein historisches als vielmehr ein theologisches" : Vom Alten Testament her, vor allem von der Moses-Geschichte, möchte sie Person, Sendung und Geschick Jesu deuten. Bereits die Kirchenväter sahen in diesem Geschehen einen Hinweis auf das Schicksal des göttlichen Kindes: Schon von seiner Geburt an erregt es Anstoß. Widerspruch, Wut. Es zwingt immer zur Entscheidung. Und es wird selber 30 Jahre später das Opfer solcher Entscheidung.

Doch neben der historischen und der theologischen Dimension hat unser Text noch eine dritte Ebene, und die ist von bestürzender Aktualität. Es ist leider nicht schwer, die Linien des Textes in die Gegenwart hinein auszuziehen.
Flucht - wer denkt da nicht an die ungezählten Menschen des 20. Jahrhunderts., die auf der Flucht waren vor Krieg und Gewalt, vor Hunger und Not, oder die rücksichtslos aus ihrer angestammten Heimat vertrieben wurden.

Es ist auch in unserer Zeit ein massenhaftes, ein furchtbares Schicksal. Und man ahnt : Die Lager von Dafour oder die mit Flüchtlingen vollgepackten Boote, die unter Lebensgefahr aus Afrika die Küsten Europas ansteuern, sind nur Vorboten dessen, was die Zukunft bringen wird. Und immer geht es um Menschen : um einzelne, einmalige Menschen mit ihrem Schicksal und ihrem Leid.
Und dann die unschuldigen Kinder - fast ist es ja eine Tautologie : Kinder sind immer unschuldig, immer unschuldige Opfer, ganz egal was ihnen angetan wird. Auch der mit den lebendigsten Farben geschilderte Kindermord von Bethlehem verblasst vor dem realen Leiden der Kinder in unserer Zeit. Kinder starben in den Gaskammern von Auschwitz, sie sterben als Kindersoldaten im Dienste irgendwelcher Kriegsherren; sie verhungern auch heute noch zu Millionen. Kindern werden zu Tausenden in unserem Land alljährlich misshandelt und missbraucht. Kinder müssen noch im Mutterleib sterben. Immer unschuldige Kinder. Und immer "weint Rachel um ihre Kinder und will sich nicht trösten lassen".

Im Lauf des Kirchenjahres gehört die Geschichte von der Flucht nach Ägypten und vom Kindermord in den Festkreis von Weihnachten. Für einen Christen drückt das den Kern der Sache aus : Der Glaube ist konkret. Gott ist Mensch geworden - das ist unser Heil und nicht mythische Träume oder Bilder der Seele oder eine Religion, die sich aus dieser Welt "wegmoderiert". Gott hat sich keine erträumte Welt gesucht, sondern unsere: die wirkliche. Nur so dürfen wir hoffen dass "Erlösung" nicht nur ein schönes Wort ist. Denn immer noch zwingt jenes Kind uns zur Entscheidung ...

Ich freue mich sehr, dass diese Kunstausstellung uns auch heuer wieder ein Stück des Evangeliums "konkret" damit lebendig macht und uns manch ungewohnten befreienden Blickwinkel erlaubt. Sehr herzlich bedanke ich mich bei den Künstlern, bei Frau Michielsen vor allem und bei allen, die uns diese Veranstaltung ermöglichen.


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